Baden-Wuerttemberg

Gemeinde Sulzfeld

In Blau ein aus einer silbernen (weißen) Wolke am vorderen Schildrand hervorgehender Rechtarm, der eine goldene (gelbe) Ähre hält.

Seit Jahrhunderten verwendeten Gemeinden sogenannte Dorfmarken oder Fleckenzeichen, mit denen sie ihre Gemarkungsgrenze, gemeindeeigene Geräte oder Gebäude kennzeichneten. Zumeist waren es einfache geometrische oder bäuerliche Werkzeuge darstellende Formen, die sich mit wenig Aufwand in Stein hauen oder in Holz einritzen ließen. Auch die Sulzfelder bedienten sich einer solchen Marke: es war die Zeichnung einer Pfahlhape, eines krummen Messers, mit dem Weinbergpfähle angespitzt wurden, also eines geläufigen Werkzeuges in einem Weinbau treibenden Dorf. Als Kennzeichnung von Marksteinen ist die Hape seit dem 17. Jahrhundert in Sulzfeld nachweisbar. Auch als Wappenbild spielte sie eine Rolle. Während dörfliche Gemeinden in der Regel bis in die jüngste Zeit kein Wappen im strengen Sinne führten, sind Siegel als Beglaubigungsmittel für Rechtshandlungen der Dorfverwaltung und des Dorfgerichts schon früher in Gebrauch gewesen.
Der Besitz eines eigenen Siegels ist von jeher ein Gradmesser für Kompetenzen und damit die Selbständigkeit oder Abhängigkeit eines Gemeinwesens von seiner direkten Ortsherrschaft.
Auch heute dient das Wappen nicht nur zur Repräsentation und als Aushängeschild einer Gemeinde, sondern ist - da es gemäß der Gemeindeordnung auch im Gemeindesiegel und in der Dienstflagge erscheint - auch das Hoheitszeichen einer Kommune im Rahmen ihrer Selbstverwaltung.
In Sulzfeld läßt sich der Zusammenhang zwischen gemeindlicher Selbständigkeit oder dem Streben danach und dem Besitz von eigenem Wappen und Siegel geradezu exemplarisch darstellen. Hier ist die Wappengeschichte ein Teil der Geschichte der Emanzipation der Dortbewohner von der Ortsherrschaft, ein Teil der dörflichen Verfassungsgeschichte und daher wert, ausführlicher dargestellt zu werden, zumal die Überlieferungslage recht gut ist. Als Quelle steht uns eine erst jüngst wieder entdeckte, fragmentarisch erhaltene Supplikation (= Bitte um Eröffnung eines Prozesses) zur Verfügung, die Engelhard und Hans Bernhard G öler von Ravensburg beim Reichskammergericht in Speyer im Jahre 1650 wegen ihrer ungehorsamen und rebellischen Untertanen [...] des Dorfs Sulzfeld eingereicht haben. Ihr liegt die Abschrift eines Wappenbriefs für die Gemeinde von 1620 bei. Es läßt sich allerdings nicht mehr feststellen, ob der Prozeß tatsächlich eröffnet worden und wie er gegebenenfalls ausgegangen ist. Wenn die Supplikation die Angelegenheit auch nur aus der Sicht der ortsherrlichen Partei wiedergibt, sind aus ihr doch die Vorgänge um Wappen und Siegel Sulzfelds gut zu rekonstruieren.
In dieser Supplikation der Sulzfelder Ortsherrschaft geht es einmal mehr um jahrzehntelange Streitigkeiten vor allem um die Waldnutzung, um Kompetenzüberschreitungen des Dorfgerichts und um Unbotmäßigkeiten verschiedener Art der Gemeinde gegen ihre Obrigkeit. Die Mißhelligkeiten hatten unter anderem darin gegipfelt, daß die Sulzfelder einen bäurischen, ganz närrischen Festungsbau mit Palisaden (also wohl eine Art verstärkten Etterzaun) unfern vom [Gölerschen] Haus in dem Flecken zu lauterem Despekt propria authoritate (= eigenmächtig) gleichsam vor die Nasen angestellt und sich ein Wappen und Siegel verleihen lassen hatten. Die Kläger sahen - vielleicht nicht ganz zu Unrecht - in Dr. Georg Goll, einem Anwalt beim Reichskammergericht, der die Gemeinde schon über 30 Jahre juristisch beriet und vertrat, den eigentlichen Drahtzieher hinter der Sulzfelder Unbotmäßigkeit.
Nach der Dorfordnung von 1529 war die Gemeinde nicht berechtigt, ohne Zustimmung der Obrigkeit Geld aufzunehmen, Gültverschreibungen zu errichten und ihre Immobilien oder Güter, die der Herrschaft zinspflichtig waren, zu verpfänden. Deswegen hatten sie auch niemalen ein eigen Sigill gebraucht oder vonnöten gehabt und in derartigen Fällen bei der Herrschaft um Genehmigung und um die Sigillation gebührend anzuhalten und bitten müssen, wie die Kläger formulierten. Aus dieser rechtlich minderen Stellung suchte sich die Gemeinde zu befreien, nicht zuletzt dadurch, daß sie sich auf Anraten Golls um die Berechtigung zur Wappen- und Siegelführung bemühte. Goll fühlte zunächst bei dem Straßburger Rechtsprofessor, Advokaten und Doktor beider Rechte Johann Thomas Obrecht vor, ob die Verleihung eines Insigels und Wappens für Sulzfeld in Frage komme. Obrecht war in seiner Eigenschaft als päpstlicher und kaiserlicher Hofpfalzgraf befugt, Wappen zu verleihen, und erklärte sich dazu bereit.
Da die Gemeinde wegen der großen Entfernung und der dadurch entstehenden Kosten die Angelegenheit nicht selbst in Straßburg betreiben konnte, stellte der in Speyer ansässige öffentliche kaiserliche Notar Johann Georg Sold in Sulzfeld am 2. Februar 1620 eine Vollmacht von Bürgermeister, Rat, Gericht, Ausschuß und ganzer Gemeinde der Dorfschaft Sulzfeld für Dr. jur. Johann Karl Wogeßer aus, in ihrem Namen in Straßburg zu handeln. Diese Vollmacht wurde Wogeßer nach Straßburg vom bestellten Büttel der Gemeinde überbracht.
Obrecht ließB nun durch den kaiserlichen Notar Magister Johann Wagner zu Straßburg den Wappenbrief ausfertigen. Nach der formelhaften Versicherung der Gemeinde Sulzfeld, dem Kaiser, dem Reich und dem Hause Österreich äußersten Vermögens untertänigste und gehorsamste Dienste zu leisten, und der Folgerung, daß sie ganz tauglich, würdig und [...] empfänglich sei, das Wappen zu führen, spricht Obrecht darin die Verleihung des von der Gemeinde gewünschten Wappens aus, in dessen Schild auf blauem Feld zur rechten Seiten aus einem Gewölk ein gelber oder goldfarbener Arm herfürgerichtet, eine eiserne Happen an einem hölzernen Stiel in der Hand haltend, auf dem Schild ein eisern oder silberfarbener zugetaner (= geschlossener) Stechhelm zu beiden Seiten mit gelb- oder goldfarbenen und blauen Helmdecken oder Laubwerkbund und zweien aufrechten Büffelhörnern, die Mundlöcher voneinander sehend, das vordere unten blau und oben gelb- oder goldfarben, das hintere unten gelb- oder goldfarben und oben blau, dazwischen in der Mitten drei aufgerichtete wachsende Kornähren stehend. Schließlich wird der Gemeinde - wieder durchaus formelhaft - zugesichert, daß sie hinfüro und zu ewigen Zeiten [...] in allen und jeden ehrlichen und redlichen Sachen und Geschäften, zu Schimpf, zu Ernst, es sei in Feldzügen, Bannern, Zeltaufschlägen, Siegeln, Petschaften, Kleinodien, Begräbnissen (= Grabmälern) [...] und sonst an allen Enden und Orten, bei geistlichen und weltlichen Ständen und Gerichten das Wappen nach ihrem Willen und Wohlgefallen gebrauchen und alle daher rührenden Freiheiten, Immunitäten, Privilegien, Ehren, Würden, Vorteile, Rechte und Gerechtigkeiten wie andere recht geborene Wappensleute des Kaisers und des Reichs genießen könne. Obrecht unterschrieb und besiegelte die Urkunde am 21. Februar 1620 in seiner Wohnbehausung in der Straßburger Fladergasse in Gegenwart zweier namentlich genannter Juristen und eines weiteren ansehnlichen Umstands.
Das Sulzfelder Fleckenzeichen war also in das Wappen übernommen worden, dessen Motiv auch sonst mit Bedacht von der Gemeinde oder ihrem Berater ausgewählt erscheint. Einzelne Arme werden in der Heraldik oft geharnischt und auch mit einem Schwert in der Hand dargestellt (beispielsweise im Wappen von Berghausen bei Karlsruhe oder in einigen deutschen Städtewappen). Es ist daher denkbar, daß die Sulzfelder ihren der Ritterschaft angehörenden Ortsherren provokativ einen (nicht geharnischten) Arm mit einem landwirtschaftlichen Werkzeug entgegenhalten wollten, und zwar in der Form eines vom Adel geführten Vollwappens mit Helm, Helmzier und Helmdecken.
Vom Kaiser oder einer anderen dazu berechtigten Person oder Institution ausgestellte Wappenbriefe enthalten in der Regel eine Begründung für die Wappenverleihung, die farbige Abbildung und genaue heraldische Beschreibung des Wappens selbst, eine Bekräftigung des Rechts des Empfängers der Urkunde zur Führung der verliehenen Wappens und Schutzbestimmungen und Strafandrohungen für eventuellen Mißbrauch des Wappens oder Beschneidung der Rechte durch Dritte. Der Sulzfelder Wappenbrief, im Original eine mehrere Pergamentblätter umfassende und in einen roten Samteinband gefaßte Urkunde, entspricht darin ganz der Norm.
Zugleich unterscheidet er sich aber davon, indem er durch ein Übermaß an juristischen Floskeln und Bekräftigungsformeln aufgebläht, ja sogar sicherheitshalber um den vollständigen lateinischen Wortlaut von Obrechts Ernennungsurkunde zum Hofpfalzgrafen angereichert ist. Außerdem blieb es nicht bei diesem für sich allein gültigen Wappenbrief. Vielmehr ließ Obrecht den ganzen Verleihungsakt zusätzlich von Magister Wagner durch ein sogenanntes Notariatsinstrument beglaubigen, eine Urkunde von sieben Pergamentblättern, in die nicht nur der Text des Wappenbriefs, sondern auch die Vollmacht für Wogeßer übernommen wurde. Diese übertriebene formale Absicherung und die überzogene, in einzelnen Passagen geradezu absurde Weise, wie in dieser Urkunde die juristischen Floskeln und Versatzstücke aneinandergereiht sind, sind kein Zeichen von Stärke. So verfährt jemand, der sich seiner Sache nicht sicher ist, und Goll und Obrecht waren dies wohl nicht. Dennoch hatten die Sulzfelder - wie man der Gölerschen Supplikation entnehmen kann - zumindest zeitweise Erfolg. Für Feldzüge, Banner, Grabdenkmäler - wie der Adel - brauchten sie freilich den Wappenbrief nicht, aber für das Recht zur Siegelführung (mit ihrem Wappen im Petschaft) als Mittel zur Erweiterung ihrer Zuständigkeit hatten sie die erheblichen Kosten für die Urkunde und die Honorare von mindestens fünf dafür herangezogenen Juristen nicht gescheut.
Sie ließen sich auch gleich ein Siegel anfertigen, nahmen ohne Einwilligung der Ortsherrschaft und ungeachtet der Bestimmungen der Dorfordnung von 1529 Anleihen auf, verpfändeten zinsbare Güter, versetzten sogar die Wälder, deren Besitz umstritten war. So verfuhr die Gemeinde mindestens bis zur Abfassung der Klageschrift im Jahre 1650.
Ein Abdruck des Siegels der Gemeinde mit dem 1620 verliehenen Wappen ist jedoch bisher nicht aufgetaucht. Möglicherweise war es den Ortsherren doch gelungen, die Gültigkeit des Siegels und der damit bekräftigten Urkunden mit Erfolg anzufechten, vielleicht mußten Petschaft und mit diesem besiegelte Schriftstücke vernichtet werden.
Jedenfalls begegnet uns erst auf einem Schriftstück aus dem Jahre 1777 der Abdruck eines Sulzfelder Siegelstempels. Erst Jahrzehnte später scheint der Gemeinde also ein größerer Selbstverwaltungsspielraum eingeräumt worden zu sein. Dieses Siegel zeigt in einem durch heraldische Schraffuren als blau gekennzeichneten Schild das 1620 verliehene, nicht in Vergessenheit geratene Wappenbild mit einem - von der Gölerschen Ortsherrschaft zur Bedingung gemachten? - Unterschied: der Arm hält nicht mehr eine Hape, sondern eine Ähre. Der Stempel kann also nicht mit dem ersten Siegel identisch sein und ist auch stilistisch ins 18. Jahrhundert zu datieren. Er trägt die Umschrift FLECKEN SIGEL ZU SULTZFELDT IM CREICHGAU, gibt also die Zugehörigkeit des Ortes zum Ritterkanton Kraichgau an.
Dieses Petschaft blieb noch das ganze 19. Jahrhundert hindurch in Gebrauch. Daneben benutzte die Gemeinde seit etwa Mitte des 19. Jahrhunderts nacheinander zwei Farbstempel mit dem gleichen Wappenbild, von denen der jüngere auch die waagerechten Schraffuren des Schildes wiedergibt und beide in der Zeichnung der Getreideähren auf dem Helm von der Vorlage, dem Stempel des 18. Jahrhunderts, abweichen.
Ein Runderlaß des badischen Innenministeriums vom März 1895, der die Verbesserung oder Neuannahme von Gemeindewappen und -siegeln zum Ziel hatte, leitete im Großherzogtum eine umfassende Revision der kommunalen Siegel und Wappen durch das Generallandesarchiv in Karlsruhe ein. Sulzfeld war im damaligen Amtsbezirk Eppingen die zweite Gemeinde, die die Wappenfrage aufgriff. Am 19. April 1900 beschloß der Gemeinderat, ein neues stilgerechtes Siegel anzuschaffen. Das Generallandesarchiv schlug vor, das bisherige Siegelbild weiterzuführen, beließ es beim Blau als Farbe des Wappengrundes und legte - von der Wappenverleihung von 1620 wußte man damals nichts mehr - Silber und Gold als Tingierung der Wolke und der Ähre fest. Allerdings war das Wappen auf den einfachen Schild ohne das für kommunale Wappen nicht mehr zugelassene heraldische Beiwerk reduziert. Genau darauf aber hatte der Gemeinderat mit seinem Wunsch nach stilgerechter Form des Wappens Wert gelegt, und er bestand in seiner Sitzung vom 29. Juni 1900 auch darauf, das bisherige Siegel beizubehalten incl. der [...] Beigaben. Sicher spielte dabei die ansehnlichere äußere Form des Wappens eine Rolle, denn die Beweggründe, die knapp 300 Jahre zuvor zur Verleihung des Wappens mit vollständigem Oberwappen geführt hatten, waren längst vergessen. Schließlich gab man sich doch mit der schlichteren Wappenform zufrieden und ließ im April 1901 bei Graveur Klett in Karlsruhe das erste Siegel mit dem neuen und seitdem gültigen Wappen anfertigen. Dieses wird heraldisch folgendermaßen beschrieben:
In Blau ein aus einer silbernen (weißen) Wolke am vorderen Schildrand hervorgehender Rechtarm, der eine goldene (gelbe) Ähre hält.
Eine Anfrage des Bürgermeisteramts beim Generallandesarchiv im Jahre 1959 nach den Sulzfelder Ortsfarben, die aus den Wappenfarben abgeleitet werden, führte nicht zur Annahme und Verleihung einer Gemeindeflagge.