Brandenburg

Stadt Wittenberge

In Silber eine dreitürmige rote Burg mit einem geschlossenen goldenen Tor. Die spitzen Dächer der runden, seitwärtsstehenden Zinnentürme sind mit je einem goldenen Turmknopf geziert.
Der mittlere breite, eckige Turmbau mit drei Schlüsselscharten hat über seiner Zinne ein Walmdach, dessen Firstecken je einen goldenen Knopf tragen.
Über der Burg schwebt der goldbbewehrte mit goldenen Kleestengeln belegte rote brandenburgische Adler.

Nachdem festgestellt worden war, daß das Stadtwappen von Wittenberge im Laufe der Zeit eine heraldisch unrichtige Form erhalten hatte, ist unter Witwirkung des Wappenkundigen, vormaligen Archivars und Bibliothekars des Vereins "Herold" in Berlin, Dr. jur.utr. Walter Freier in Berlin-Wilmersdorf bei Heranziehung aller erreichbaren Quellen eine Prüfung im Jahre 1924 eingeleitet und in den folgenden Jahren durchgeführt worden. Darauf haben die städtischen Kollegien durch Magistratsbeschlu8 vom 22. Dezember 1925 und die Stadtverordnetenbeschlus vom 20. Mai 1926 mit Genehmigung des Preußischen Staatsministeriums vom 15. September 1927 - IVa II525 St.W.I 10940/27 - für die Zukunft das dargestellte, nachstehend beschriebene Wappen der Stadt Wittenberge angenommen:
In Silber eine dreitürmige Burg mit einem geschlossenen goldenen Tor. Die spitzen Dächer der runden seitwärts stehenden Zinnentürmen sind mit je einem goldenen Turmknopf geziert. Der mittlere breite, eckige Turmbau mit drei Schlüsselscharten hat über seinen Zinnen ein Walmdach, dessen Firstecken je einen goldenen Knopf tragen. Über der Burg schwebt der große goldbbewehrte mit goldenen Kleestengeln belegte rote brandenburgische Adler.

Wittenberge, den 5. März 1928
Der Magistrat

Das neue Stadtwappen von Wittenberge

Das Wittenberger Stadtwappen war wiederholt Gegenstand der Erörterung und jeder Wittenberger Bürger wird sich entsinnen, daß dle Frage, ob die Gans oder der Adler das Wappentier unserer Stadt waren,wiederholt aufgeworfen ist, daß aber sichere Beweise für beide fehlen. Eine Zeitlang war die Gans das Wappentier unserer Stadt, sie wurde dann abeglöst durch den Adler. Jetzt nach der Rekonstruierung des alten Turms ist die Frage des Stadtwappens aufs neue angeschnitten worden, denn man will das Wahrzeichen unserer Stadt, den alten Turm, ins Wappen aufnehmen. Der Magistrat der Stadt Wittenberge hat sich deshalb einen neuen Entwurf anfertigen lassen, der uns mit folgendem Begleitschreiben zugeht:

Das immer größer werdende Interesse an der Geschichte der engeren Heimat hat auch den Magistrat der Stadt Wittenberge bewogen, das Stadtwappen einer geschichtlichen Nachprüfung unterziehen zu lassen, da berechtigte Zweifel entstanden waren, ob das gebräuchliche Stadtwappen von Wittenberge heraldisch und künstlerisch einwandfrei dargestellt wird.”

Unter Heranziehung der Urkunden- und Siegelsammlung des Geheimen Staatsarchivs zu Berlin-Dahlen und der ausschlägigen Literatur ergab sich, daß das augenblicklich im Gebrauch befindliche Siegel nicht mit der ältesten Darstellung ünereinstimmt, und daß diese - als Sekretsiegel - nicht einmal das volle Wappenbild trug.
Die in dem Hopp`schen Städtewappenwerk angegebenen Farben stehen nicht mit dem Namen der Stadt noch ihrer Lage in irgendeinem Zusammenhang.
Es wurde festgestellt:
1. Die Stadt Wittenberge war markgräfliches Eigentum und daher kann das im ältesten erhaltenen Siegel von 1791 dargestellte Tier (Vogel) nur der brandenburgische Adler sein (Riedel, Cod.A I 15 282/2 83).
2) Die Stadt verdankt ihren Namen der Lage zwischen den weißen Sandbergen, welche die Stadt Wittenberge von drei Seiten umgeben. (Berghaus, Landbuch der Provinz Brandenburg I 1629/30; F. s. A. Statistisch-topographische ileschroibung der gesamten Mark Brandenburg I. 415)

In Anlehnung an diese Feststellung wurde vom Magistrat der Stadt Wittenberge (Bezirk Potsdam) am 17. April 1925 beschlossen, folgendes geschichtlich begründete und heraldisch richtige Wappen als Wappen der Stadt Wittenberge (Bez. Potsdam} anzunehmen.
"In Silber (weiß) auf silbernen (weißen) Dreiberg ein roter Torbau mit Zinnengiebel (Steintorturm) und geschlossenem goldenen Tor beseitet von je einer anschließenden roten Zinnenmauer, welche beiderseits an je einen vorspringenden, runden, roten Mauerturm mit spitzen roten Dach und goldener Kugelspitze endet. Darüber ein schwebender, brandenburgischer Adler“.

Sollten von Seiten der Leser irgendwelche Bedenken bestehen, so wird höflichst gebeten, unter eingehender Begründung der Bedenken, dies entweder dem Magistrat oder dem Verfasser dieser Zeilen zu übersenden.

Dr. jur. Walter Freier
Berlin W 15, Ahlandstr. 151

Soweit wir unterrichtet sind, lassen die noch vorhandenen Siegel unserer Stadt nur erkennen, daß das Wappentier ein Vogel war und elne in der Heimatgeschichte gut bewanderte und führende Persönlichkeit mitteilt, ist das Wappentier bei der weder heraldisch richtigen noch charakeristischen Darstellung mit mindest gleicher Wahrscheinlichkeit als Gans wie auch als Adler anzusprechen. Würde der brandenburgische Adler in Frage kommen, müßte er - so schreibt unser Gewährsmann - wie auf mir vorliegenden Stempelbogen und Siegeln vom Jahre 1789 usw. gekrönt sein und Zepter und Reichsapfel in den Händen tragen. Der Adler als Wappentier ungekrönt und ohne lnsignien kommt in vielen Wappen vor. Nach der Geschichte der Stadt Wittenberge erscheint nur die Gans als Wappentier bis zum vollen Beweis des Gegenteils wahrscheinlicher als der Adler, denn sie ist das Wappentier der Edlen Gänse zu Putlitz, die bekanntlich auch die Gerichtbarkeit in Wittenberge hatten.
Quelle: Der Prignitzer Nr. 113 vom 15.5.1925, Stadtarchiv.

Der Adler oder die Gans?
Ein weiterer Bericht zur Frage des Stadtwappens


Unser heimatgeschichtlicher Mitarbeiter und Verfasser der bekannten prignitzer Heimatbilder, Rektor Wienreke/Berlin, den wir um eine Stellungsnahme zur Stadtwappenfrage gebeten hatten, äußert sich wie folgt zu dieser Frage:
“"Nr. 113 des Prignitzer vom 15. Mai bringt den Entwurf eines neuen Stadtwappens für Wittenberge. Dieser Entwurf ist nicht zutreffend, weil er der historischen Entwicklung der Stadt nicht gerecht wird. Wittenberge ist, wie im folgenden ausgeführt sein soll, unzweifelhaft eine Gründung der Herren von Putlitz. Zwar wird man vergebens nach einer Urkunde suchen, die dies bestätigt; aber die angeführten Tatsachen beweisen zu Genüge meine Behauptung. Es findet sich auch keine Urkunde, die da bezeugt, daß Wittenberge eine Gründung der Markgrafen aus dem askanischen Hause ist. Die Herren von Putlitz haben hier wie zu Putlitz, Perlaberg und vielleicht Pritzwalk eine Burg gegündet. Im Schutze dieser Burg haben sich Leute angesiedelt, und aus dieser Ansiedlung ist die Stadt geworden. 1208 sind die edlen Gänse schon im Besitz des Elbzolls und jedenfalls auch im Besitz der Burg. Der Besitz wird durch eine Urkunde von 1239 bezeugt. In den Urkunden 1246 und 1259 - sie beziehen sich auf das Kloster Hanenfließ (Stepnitz) - nennt sich Johann Gans der Aeltere “Herr von Wittenberge“.

Allerdings ist der Besitz des Geschlechts von Putlitz oft unterbrochen worden; aber inmer wieder finden wir sie in Besitz, ein Zeichen dafür, wie eng Wittenberge mit dem Geschlecht von Putlitz verwachsen war. 1265 finden wir die Familien von Bözill (Bözel) in Wittenberge. 1275 nennt sich Johann Gans wieder “von Wittenberge". 1300 bestätigt Otto Gans von Putlitz die von seinen Vorfahren der Stadt verliehenen Freiheiten. 1305 erfahren wir, da8 das Geschlecht von Putlitz Wittenberge vom Markgrafen seit alter Zeit zu Lehn getragen hat. Im gleichen Jahre ist die Familie von Karstedt Besitzerin, aber nach einigen Jahren 1312 sind die Herren von Putlitz wieder im Vollbesitz der und Stadt.
1319 wird Günzel Gans gezwungen, Wittenberge vom Fürsten von Mecklenburg zu Lehn zu nehmen. Danach hatten wir die Famllie von Clepzigk, von Garstenbüttel und von Buch als Besitzerinnen. 1373 wird das Geschlecht von Putlitz mit „Mannschaft und .Mannlohn” von Wittenberge belehnt; es erhält gleichzeitig das Erbmarschallamt der Mark verliehen, 1375 finden wir Wittenberge im markgräflichen Besitz. 1409 sind es wieder die Edlen Gänse zu Putlitz. Im 30jährigen Krieg wurde die Stadt Wittenberge und auch die Putlitzburg verwüstet. Die Familie geriet in Konkurs, und Wittenberge kaufte ein Herr von Kusemark. Aber schon in den 60ger Jahren des Jahres sind die Putlitzer wieder im Besitz von Wittenberge. 1707 verkaufte der Herr von Putlitz den Wittenberger Elbzoll an den König Friedrich I.
Aus dem Gesagten geht hervor, daß das Geschlecht von Putlitz von jeher in engster Beziehung zu Wittenberge gestanden hat. Ist auch keine Urkunde vorhanden, die die Gründung der Burg durch einen von Putlitz verbürgt, so ist doch mit Sicherheit anzunehmen, da8 diese einst durch das Geschlecht erfolgt ist. Allerdings war der Besitz oft unterbrochen, aber immer wieder kehren die Herren von Putlitz in den Besitz zurück.
Dieser historischen Tatsache darf man sich nicht verschließen, und es ist notwendig, daß das neue Wappen in engster Beziehung zu dem Wappen des Geschlechtes von Putlitz steht. Der Adler ist unhistorisch; die Gans ist historisch.
Quelle: Der Prignitzer Nr. 115 vom 18. Mai 1925, Stadtarchiv

Der Standpunkt des Oberpfarrers Müller

Mitt Bezug auf die in der Beilage zum Prignitzer vom 15. des Monats geäußerte Ansicht, das Wappentier in den älteren Wittenberger Stadtwappen sei mit mindestens gleicher Wahrscheinlichkeit als Gans wie als Adler anzusprechen, wird uns Abschrift eines Schreibens zur Verfügung gestellt, das der verstorbene Oberpfarrer Müiller, der sich s.Zt. mit Wappenstudien befaßte, im Jahre 1913 als das neue Rathaus gebaut wurde, an den Magistrat hier gerichtet. Das Schreiben hat folgenden Wortlaut:

Wittenberge, den 21. April 1975
Oberpfarrer Müiller
zu Wittenberge

Dem verehrlichen Magistrat gestatte ich mir folgendes zu freudlicher Beachtung zu unterbreiten.
Am neuen Rathaus wird doch gewiß ein größeres Wappen von Wittenberge angebracht. Wäre das nicht die gegebene Gelegenheit, einen großen Fehler darin wieder gutzumachen? Unser jetziges Wappen, das durchaus keine geschichtliche Vergangenheit hat und erst in den vergangenen neunziger Jahren zurecht gemacht ist, zeigt auf dem mittleren, dem Torturme eine sitzende Gans. Man will in ihr das Wappentier der Gans Edlen Herrn von Putlitz erkennen und meint wobl, die Tatsache, da8 diese einst Herren von Wittenberge waren, hätte sich auf diese Weise früher kundgegeben und sich so verewigt. Dies ist nicht der Fall. Das Tier im Wappen unserer Stadt ist ebenso wie z.B. in Havelberg ursprünglich der märkische Adler, freischwebend zwischen den beiden Seitentürmen mit den Fängen rechts und Links vom Torturm. Bei den ; in früherer Zeit recht ungenauen Prägungen konnte es leicht dahin kommen, daß dabei der Vogel auf den Mittelturm scheinbar zu sitzen kam. Das Bedürfnis, lokalgeschichliche Kenntnisse zur Schau zu tragen, ohne von wirklicher Kenntnis der Sache beeinflußt zu sein, hat dann.geholfen, den Adler unserer Mark zur Putlitz`schen Gans zu degardieren. Wie wenig noch am Ende und gegen Mitte des vorigen Jahrhunderts der Vogel als besondere Eigentümlichkeit des Stadtwappens gewertet wurde, beweist die Tatsache, daß er vielfach fehlt. - Auch der Mittelturm hat niemals früher die Gestalt gehabt, die ihm Ende der neunziger Jahre gegeben wurde. Auch die Seitentürme haben sich Änderungen gefallen lassen müssen.
Unsere Vorfahren werden sich im Grabe herumdrehen, wenn auf dem neuen Rathaus eine Herrschaft verewigt wird, gegen die sie Jahrhunderte mit aller Kraft bis zum wirtschaftlichen Untergang, gekämpft haben. Sie haben sich gegen jeden Übergriff der Putlitzer gesträubt, sie würden die Gans eigenhändig von ihrem Torturm herabgerissen haben, wenn sie sich so über sie gesetzt hätte, und erlauben sich hierdurch durch mich gegen die durchaus heraldisch unbegründete, geschichtlich unberechtigte und ihnen aufs tiefte verhaßte Gans im Wappen zu protestieren.
Quelle: Prignitzer 19.5.1925

Was Dr. Jur. Walter Freier sagt:

Bei den nicht heraldisch richtigen Darstellungen des Volels auf den alten Siegeln der Stadt ist der gekrümmte Schnabel des Vogels doch bezeichnend und auch die Darstellung mit den ausgebreiteten Flügeln derart charakteristisch, daß der Vogel (ganz abgesehen von der geschichtlichen Entwicklung) nur als Adler angesprochen werden kann.
Grundsätzlich möchte ich folgendes betreffs des brandenburgischen Adlers feststellen, da er häufig mit dem kurbrandenburgischen Adler (Wie er im Wappen der Provinz Brandenburg erscheint) verwechselt wird.
1. Der brandenburgische Adler ist stets ungekrönt und ohne Insignen von roter Farbe mit goldenem Schnabel, goldenen Fängen und goldenen Kleestengeln auf den Flügeln.
(In der Züricher Wappenrolle von etwa 1320 fehlen die Kleestengel. In der Heidelberger Liederhandschrift (Manesse Codex) vom 14. Jahrhundert ist der Adler mit den goldenen Kleestengeln abgebildet.)
2. Der kurbrandenburgische Adler (Wappen der Provinz Brandenburg) ist gleich dem brandenburgischen Adler; nur hat er auf dem Kopfe einen Kurhut (Kurfürstenhut), auf der Brust ein blaues Schildchen mit goldenem Zepter (Zeichen der ehemaligen Erzkämmererwürde). Im rechten Fang ein goldenes Zepter, im linken Fang ein goldbeschriftetes silbernes Schwert.
Dr. jur. Walter Freier