Sachsen

Stadt Kirchberg (Sachsen)

In Rot auf grünem Boden stehen nebeneinander drei silberne Türme.

Das Wappen der Stadt Kirchberg
eine Historie des damaligen Ortschronisten Johannes Decker

Heinrich, Vogt von Weida, der als erster wegen seines langen Aufenthaltes in Rußland sich den Beinamen "der Reuße" gab, gründete im 13. Jahrhundert die Stadt Kirchberg und verlieh ihr aller Wahrscheinlichkeit nach das in seiner Grundform noch heute bestehende Siegel.
Im Schnittpunkt der Verbindungswege von Giegengrün, Leutersbach nach Wiesen, Wiesenburg und Schönau, von Barenwalde, Hartmannsdorf, Saupersdorf nach Cunersdorf, Culitsch und Niedercrinitz sowie von Burkersdorf nach Wolfersgrün und Lauterhofen - alles Ortschaften, die annähernd zur gleichen Zeit durch die Kolonisation des Gebietes der Mark Meißen im Raum der Wasserläufe Rödelbach, Leutersbacher Wasser und Crinitzbach, dem sogenannten Kirchberger Becken, entstanden waren, wird ein zentraler Markt dringend erforderlich und bietet sich zwangsläufig durch die günstige geographische Lage am Hang des Zusammenflusses von Rödelbach und Leutersbacher Wasser an. Um den Hauptstützpunkt der kirchlichen Betreuung der Siedler und der Christianisierung der im Umfeld verbliebenen Sorben, die Kirche St. Margarethe, entsteht ein städtisches Anwesen.
Als Heinrich der Reuße 1294 stirbt ist Kirchberg mit 33 Häusern, einer Kirche sowie einer dies alles umfassenen Mauer mit drei als Türme ausgebauten Stadttoren die einzigste Stadt in der Herrschaft Wiesenburg und die kleinste in der Mark Meißen. In der heute noch vorhandenen Urkunde vom 12. Juni 1356, die einen Aussöhnungsvertrag nach der blutigen Fehde und den Querelen um das Bergwerk Hohenforst zwischen den Markgrafen Friedrich und Balthasar von Meißen sowie den Reußennachfolgern zum Inhalt hat, wird Kirchberg auch nur das "stettlin" - die kleine Stadt - genannt. Zu dieser Zeit kommen im ostdeutschen Raum die ersten Stadtwappen auf. Sie werden vom Landesherren verliehen oder von der Stadt selbst angenommen, wobei die alten Siegelbilder oft als Vorlage dienen. Viele Stadte, die keinen Bergbau betreiben, führen Stadtmauern und Türme im Wappenbild. So auch Kirchberg. Da die ältesten deutschen Wappenbücher, wie Tuggers Ehrenspiegel oder das Konstanzer Wappenbuch von 1493 für unser Stadtwappen keine Farben ausweisen, geht Johann Siebmacher, Graveur und Nestor der Wappenkunde im ausgehenden 16. Jahrhundert in seinem "Großen Wappenbuch" davon aus, daß auch Kirchbergs Wappenbild vom ersten Stadtsiegel übernommen wurde. Dieses Wappen aus dem 14. Jahrhundert zeigt drei einzeln stehende Türme auf grünen Boden in einem nach unten spitz zulaufenden Schild ohne Beiwerk. Größere Städte führten zum Schild oft noch Helme, manche sogar Schildhalter. Der "grüne" Boden ist durch damals gebräuchliche Grassignatur gekennzeichnet. Dieses Wappen ist das älteste Dokument der Stadt Kirchberg. Die Türme bestehen aus Holz, der mittlere ist wesentlich größer als die beiden übrigen. Er hat eine runde, nach oben zugespitzte Haube. Unter den drei quadratischen Turmfenstem das mit Kreuzgitter geschlossene Stadttor. Die beiden Nebentürme haben einfache Satteldacher über je drei rechteckigen Fenstern.

Auch für das im 15. Jahrhundert in Kirchberg geführte Stadtwappen sind die Farben nicht bekannt. Es zeigt drei annähernd gleiche runde Steintürme ohne Boden, eine rechteckige Maueröffnung unter dem Turmsims und eine kreisrunde darüber, als Abschluß gleiche laternenartige runde Turmhauben mit Kugelknauf. Der mittlere Turm mit gewölbten Durchgang ist etwas stärker und höher. Das Wappenschild ist unten halbkreisrund.
Im 16. Jahrhundert wird unser Stadtwappen erstmals mit Farben nachgewiesen. Der bekannte deutsche Wappenforscher Otto Hupp schuf um 1890 das Standardwerk der Heraldik "Die Wappen und Siegel der deutschen Stadte". Danach stimmt um 1600 das Stadtwappen mit dem "SIGILL DER STATT KIRCHBERCK" überein. Das Wappenschild ist blau, auf grünen Boden stehen nebeneinander drei silberne Türme, von denen der mittlere stärker und höher ist. Die Türme wirken mit ihren vier Stockwerken und runden Knaufkuppeln sowie den relativ kleinen Fenstern erhaben wuchtig. Der mittlere zeigt eine Toröffnung mit vorstehender Rundbogenwölbung. Bis 1896 sind alle Stadtwappen und Siegel diesem Standard mehr oder weniger getreu nachgebildet.
Kirchbergs Chronist Anton Bar vertritt 1898 in seinem Buch "Beiträge zur Geschichte der Herrschaft Wiesenburg und der Stadt Kirchberg im Sächsischen Erzgebirge” die Meinung, daß der Stadt bereits im 13. Jahrhundert das Wappen in den Farben wei8 und rot mit in der Mitte waagerecht geteiltem Schild verliehen wurde. Als Quellenangabe führt er aber nur "mündliche Überlieferung" an. Im Nachtrag seines genannten Werkes schreibt Bar, daß sich der Kirchberger Stadtrat ab 1896 bereit erklärt hat, das im Auftrag des Sächsischen Innenministeriums auf Grund heraldischer Forschung durch die Direktion des Hauptarchivs neu festgelegte Wappen anzunehmen. Das Wappenschild führt die Farben rot und weiß (silber) und erstmals stehen drei Kirchtürme auf drei grünen Hügeln, weil die Stadt ihre Herausbildung der hier gegründeten Pfarrkirche zu verdanken hat. Worauf die Erkenntnisse der heraldischen Forschung des Hauptarchivs basieren wird nicht ausgewiesen.
Klemens Stadler, die moderne Autorität der Wappenkunde, weist 1964 im Vorwort seines Werkes "Deutsche Wappen” nach, daß Otto Hupps "auf emsige Quellenforschung fußendes Werk" das Bedeutendste ist, was in diesem Genre je geschaffen wurde. Schon 1929 wurde der wissenschaftliche Rang dieser Arbeit von Johannes Hohlfeld, Historiker und damals Vorsitzender der Zentralstelle für Deutsche Personen- und Familien-Geschichte, als dominierend gegenüber allen anderen Heraldikwerken nachgewiesen. Daraus kann die Erkenntnis abgeleitet werden, auch wenn die heutige Version des Kirchberger Stadtwappens noch der von 1896 entspricht, da8 die Wappentürme vor dieser Zeit immer die drei Stadttore verkörpern, die befestigten Zugänge zum Markt.
Die Deutung der drei Türme als Hauptkirche St. Margarethe mit den beiden Filialkirchen Hartmannsdorf und Burkersdorf würde auch mit der tatsächlichen Kirchenparochie zur Zeit der Wappengebung nicht übereinstimmen, denn zum Sprengel Kirchberg gehörte bis zur Reformation neben den beiden genannten auch noch die Filialkirche in Culitsch und bis zur Ubernahme der Herrschaft Wiesenburg durch die Edlen von Planitz sogar die Kirche in Bärenwalde. Also hätten fünf Türme das Wappen zieren müssen, wie das erste Siegel der Stadt Leipzig.
Den Namen unserer Stadt dagegen verdankt sie der Kirche. Wie groß auch immer das jeweilige Kirchenhaus vor den Zerstörungen durch die verheerenden Stadtbrande gewesen sein mag - mit jedem Neubau wurde die Kirche erweitert - es war in jedem Falle auf dem kleinen ummauerten Marktareal des Stadtkerns immer das dominierende Gebäude, es war die Kirche am Berge - Kirchberg.
Das Wappen aber verkörperte zunächst den sicheren Markt im Zentrum des Siedlungsgebietes Kirchberger Becken und später die wachsende Macht der Kaufleute, Handwerksmeister und Zünfte aus deren Reihen die Stadträte kamen, die das ständig wachsende Gemeinwesen Kirchberg regierten.

Johannes Decker