Hessen

Stadt Dietzenbach

Im roten Schild ein silberner Schrägrechtsbalken mit aufgelegtem blauen Wellenband, links oben und rechts unten je eine goldene Traube mit jeweils zwei grünen Blättern an grünen Stängeln.

Zur Geschichte des Wappens:

Bereits vor mehr als 200 Jahren führte die Gemeinde Dietzenbach ein Amtssiegel mit dem Bildnis des heiligen St. Martin, dem Schutzpatron der alten Dietzenbacher Kirchengemeinde, der mit einem Schwert seinen Mantel teilt, um die eine Hälfte einem am Boden liegenden Bettler zu geben. Dieses Siegelbild wurde von der Gemeinde Dietzenbach nach dem Zusammenbruch 1945 auch als Wappen geführt. Da für die Annahme eines neuen Wappens gemäß der Hessischen Gemeindeordnung die Genehmigung des Hessischen Innenministers erforderlich ist, stellte die Gemeinde 1949 einen entsprechenden Antrag beim Ministerium, ohne dass jedoch eine Reaktion erfolgte.

1953 nahm der Gemeindevorstand einen erneuten Anlauf, eine offizielle Genehmigung des Wappens zu erreichen - und setzte damit jetzt eine Lawine in Bewegung. Die zuständigen Stellen waren der Auffassung, dass man das Siegelbild gemäß den heraldischen Grundsätzen nicht so ohne weiteres ins Wappen übernehmen könne - insbesondere die Darstellung menschlicher Figuren sei nicht möglich - und unterbreiteten der Gemeinde in der Folgezeit eine Reihe von Gestaltungsvorschlägen, wie man das Bildnis des heiligen St. Martin heraldisch umsetzen könne. Gemeindevorstand und -rat waren jedoch so sehr auf das überkommene Siegelbild fixiert, dass sie sämtliche Entwürfe, die in der Tat sehr unbefriedigend waren, zurückwiesen.

Die Gemeindevertretung resignierte schließlich und nahm schweren Herzens Abschied vom St. Martin. Man war sogar bereit, das Hessische Landeswappen im Dienstsiegel zu führen, wie es damals vielerorts von "wappenlosen" Gemeinden praktiziert wurde, und wollte sich mit der Angelegenheit nicht weiter befassen.

Doch die Geister, die man rief... Dietzenbach wurde auch weiterhin von den maßgeblichen Stellen - Landratsamt, Regierungspräsident, Staatsarchiv Darmstadt - mit Entwürfen bombardiert, Schulklassen schickten ihre Zeichnungen ein.

In der wiederauflebenden Wappen-Diskussion kristallisierte sich dann schon sehr bald die Weinrebe als ein charakteristisches Merkmal für Dietzenbach heraus, da auf dem Dietzenbacher Wingertsberg bis Ende des 18. Jahrhunderts Wein angebaut wurde (seit Anfang der 60er Jahre dieses Jahrhunderts übrigens wieder). Weiterhin sollte dann der historische Ursprung des Namens "Dietzenbach" (althochdeutsch, bedeutet möglicherweise "murmelnder Bach") nach heraldischen Grundsätzen symbolisiert werden.

1957 endlich konnten sich die Dietzenbacher Gemeindevertreter auf den Entwurf mit dem heute gültigen Wappenbild* einigen (mit zwölf gegen vier Stimmen bei einer Stimmenthaltung). Am 31. August 1957 wurde das Wappen vom Hessischen Innenminister Schneider genehmigt.

Als nächster Schritt folgte die Annahme einer Flagge durch die Gemeinde.
Dazu teilte das Regierungspräsidium in Darmstadt der Gemeinde im Juli 1958 mit:
"Die Gemeinde Dietzenbach hat in ihrem Wappenschild bereits die hessischen Farben Rot und Weiß. Infolgedessen müssen als Farben für das Flaggentuch die Farben der im Wappen enthaltenen Symbole Gelb (Gold) und Blau vorgeschlagen werden. Demgemäß würde sich ergeben, dass auf breiter gelber Mittelbahn, beseitet von zwei schmäleren blauen Bahnen, das Gemeindewappen aufgelegt wird."

Mit zehn Stimmen bei sieben Enthaltungen stimmte die Dietzen-bacher Gemeindevertretung der vorgeschlagenen Ausführung der Gemeindeflagge zu, die dann schließlich im Dezember 1958 vom Hessischen Minister des Innern genehmigt wurde: "Auf der breiten gelben Mittelbahn des blau-gelb-blauen Flaggentuches das Gemeindewappen".

Da das Wappenbild in der Folgezeit in den verschiedensten Zeichnungsvarianten kursierte, ließ das Amt für Öffentlichkeitsarbeit im Jahre 1986 eine neue, zeitgemäßere Zeichnung des Wappens anfertigen, die - zumindest für den Bereich der Stadtverwaltung - bis heute maßgeblich und verbindlich ist.

*Es lässt sich heute übrigens nicht mehr ermitteln, wer das Dietzenbacher Wappen entworfen hat - der Entwurf trägt lediglich die Initialen HMO. (sachdienliche Hinweise werden gern entgegengenommen s.o.)


Epilog:

Die Stadt Dieburg, keine zehn Kilometer Luftlinie von Dietzenbach entfernt, trägt - allen heraldischen Grundsätzen zum Trotz !??? - seit dem Jahre 1952 in ihrem Wappen genau jenes Motiv, das die Dietzenbacher Anfang der fünfziger Jahre so leidenschaftlich für sich begehrten: den heiligen St. Martin (hier allerdings zu Pferde), der mit dem Schwert seinen Mantel teilt, um die eine Hälfte einem am Boden liegenden Bettler zu schenken. Dieses Wappenbildnis, das aus einer Reihe von Entwürfen entwickelt wurde, hatte das Hessische Staatsarchiv Darmstadt (!) in seiner Stellung-nahme vom 5. November 1951 als ”glücklichste” Lösung bezeichnet und zur Annahme empfohlen. In der Stadtratssitzung vom 15. Januar 1952 wurde dieser Entwurf ”als erste künstlerisch und heraldisch wertvolle Gestaltung des Wappens und des Siegels” einstimmig angenommen. Die Genehmigung durch den Hess. Innenminister erfolgte am 30. Oktober 1952.
Dieser Vorgang spielte jedoch damals in der Auseinandersetzung um das Dietzenbacher Wappen überhaupt keine Rolle - es scheint weder in Dietzenbach noch bei den „Fachleuten“ übergeordneter Stellen bekannt gewesen zu sein, dass eine Kommune in der näheren Umgebung ein derartiges Wappenbildnis führte (zumindest gibt es darauf in den recht umfangreichen Unterlagen keinerlei Hinweise). Stattdessen gaben die Dietzenbacher als „Präzedenzfälle“ Städte wie Bingen und Ems an, die ebenfalls den Heiligen Martin in ihrem Wappen führen.