Hessen

Stadt Groß-Umstadt

Im blauen Schild eine bezinnte silberne Mauer mit einem geschlossenen roten Stadttor, darüber ein starker, bezinnter silberner Mittelturm mit einem roten Dach, bekrönt von einem goldenen Kreuz über einem goldenen Knauf, zwischen zwei schlanken achteckigen silbernen Seitentürmchen mit hohen roten Zeltdächern und goldenen Knäufen. Zwischen Mittel- und Seitentürmen, mit dem Mittelturm durch einen Steg verbunden, zwei Dreiecksschildchen. Heraldisch rechts das hanauische (drei rote Sparren in Gold) und heraldisch links das fuldische (ein schwarzes Kreuz in Silber) Wappen.

Städtesiegel lassen sich seit der Mitte des 12. Jahrhunderts nachweisen. Als Stadt bezeichnete man mit der Zeit Ansiedlungen, die das Stadtrecht hatten und mit einer Mauer umgeben waren. Jedoch „der rechtliche Status als Stadt beginnt zumeist mit der Zuweisung des Marktrechtes“ (Die Chronik Hessens, 1991, S. 55). Beide Privilegien sind für Umstadt nicht zu belegen. Eine förmliche Verleihung in fuldischer Zeit ist offenbar nicht erfolgt. In dem umfangreichen Aktenmaterial des Stadtarchives wird auf diese Rechte nie Bezug genommen. Statt dessen findet man, wenn es um Traditionen ging, stets die vom Rat mit allem Nachdruck vertretene Aussage: Dem uralten Herkommen gemäß. Parallelen lassen sich erkennen bei den Märkten, die an St. Johannis und St. Michaelis, auf Oculi, an der St. Kilians- oder der Kalten Kerbe abgehalten wurden. Auch hier fehlt jeder Hinweis auf eine Verleihung. Aus dem am 12. Mai 1592 angelegten Kopialbuch, betr. die Rechte der Kurpfalz in den Ämtern Otzberg und Starkenburg, entnehmen wir lediglich, daß an den Markttagen Standgelder erhoben wurden. Diese standen teilweise den Stadtherren zu. Das einzige erhaltene Marktprivileg stammt aus dem Jahr 1401. Darin erhält „unsere neue Stadt Umstadt“ von Kurfürst Ruprecht das Recht, jeden Dienstag einen Wochenmarkt abzuhalten. Da die Kurpfalz erst seit 1390 neben dem Haus Hanau Miteigentümer der Stadt war, bezieht sich das Wort ,,neu" auf den 10 Jahre vorher erworbenen Umstädter Besitz. Hier wird altes, gewachsenes Recht lediglich erneut bestätigt.

Als Mittelpunkt der ausgedehnten gleichnamigen Mark kann Umstadt als Stätte des Handels eine besondere Rolle zugewiesen werden. Das fränkische „Autmundisstat“ mit dem Königshof und der St. Peters Basilika lag am Kreuzungspunkt zweier Altstraßen, die in Nord-Süd- und West-Ost-Richtung verliefen. Der Chronist Hofrat Chr. Steiner überliefert gleich dreimal, daß Umstadt im Jahr 1255 zu dem rheinischen Städtebund gehörte und führt entsprechende Quellen an. Folglich schließt er daraus, die Stadt müsse Stadtrecht besessen haben. Dieser Bund umfaßte 60 Städte, sein Bestreben war, die Handelswege zu sichern und sich gegen unbotmäßige Zollabgaben zu behaupten. Im Frühjahr 1255 konstituiert, fiel das Bündnis bereits ein gutes Jahr darauf auseinander. Unsere Stadt wird aber nicht namentlich als Mitglied genannt. Das gleiche gilt für das Kloster Fulda, dem seinerzeitigen Besitzer der Stadt. Nach Dr. Friedr. Battenberg (Staatsarchiv Darmstadt, Schr. v. 25. 4. 1979) könnte es möglich gewesen sein, daß Umstadt zu den anderen Städten „et aliae civitates plus quam LX“ zählte.

Frühester Beleg für den Stadt-Status bleibt weiterhin die Urkunde von 1263, die Schultheiß und Schöffen in der civitas omestat nennt.

Die Städte hatten gleich juristischen Personen zu siegeln. „Item ein Bürgermeister da er gekorn wird auf den Schöffenstuhl, der soll das Siegel der Stadt haben ... auch keinen Brief zu versiegeln ohne Wissen des Rats“. So lautet auszugsweise die Eidesformel, wie sie u.a. im 1427 beginnenden Umstädter Gerichtsbuch zu lesen ist. Dort steht sie gleich am Anfang der Eintragungen. Und da dem o.a. Gerichtsbuch sicher mindestens ein älteres vorausging, wird sie also von dort übertragen worden sein. Mit einiger Sicherheit kann daraus gefolgert werden, daß der Text des Bürgermeistereids bis in die Zeit der Stadterhebung zurückgeht.

In den frühen Siegeln der Städte erscheint oft nur eine stilisierte bewehrte Mauer mit Turm und Tor. Das Wappen der Stadt Umstadt gehört hierher. Ähnliche Siegelbilder, von denen es Hunderte gibt, haben z. B. die Freie- und Hansestadt Hamburg, Suhl und Lüchow-Dannenberg.

Mit dem Bau der Stadtmauer wird die neue Aufgabe einer Ansiedlung erkennbar. Nach außen Verteidigungscharakter, nach innen beschützender Zufluchtsort. In diesen Zusammenhang gehört das frühe deutsche Wort für Stadt, das seit dem 12./13. Jahrhundert gebraucht, aber davon scharf unterschieden ist, „Burg“ (ursprünglich soviel wie unverschlossener Ort, Schloß). Zu der Burg, im späten Mittelalter Sitz des weltlichen Herren, gehören ihr zuzuordnende Wörter wie: Schloß, Veste, Turm, Pforte, Mauer.

Zum anderen erscheinen in Stadtsiegeln heraldische Symbole, die aus kirchlichen oder landesherrlichen Wappen ganz oder teilweise übernommen wurden. Im Siegel der Stadt Umstadt finden wir beide frühen Merkmale. Es sind dies sowohl die stilisierte Burg, als auch die Wappenbilder der beiden Stadtherren. Davon wird weiter unten noch die Rede sein. Im zweiten Sonderband des Breuberg-Bundes „Beiträge zur Erforschung des Odenwaldes und seiner Randlandschaften“ hat Dr. Albrecht Eckhardt in dem Beitrag „Mittelalterliche Stadtsiegel zwischen Main und Neckar“, S. 407 ff. u. a. das Umstädter Wappen als eines der ältesten unseres Raumes mit angeführt und näher beschrieben. Der erste Stempelabdruck stammt aus dem Jahr 1294. Zusammen mit dem Siegel der Stadt Aschaffenburg hängt es an einer Urkunde, die von einem Umstädter Bürger und seiner Frau ausgestellt wurde. Sie wurde von den Schultheißen der beiden Städte besiegelt. Der Stempel dieses großen Stadtsiegels ist nicht erhalten. Sein Durchmesser beträgt 62 mm, die Umschrift lautet: SIGILLUM · CIVIUM · ET · CIVITATIS · IN · OMESTAT. Ein weiterer Abdruck dieses Stempels (Stiftsarchiv Aschaffenburg U 1277) läßt sich in Umstadt nachweisen (Abt. XV-4). Bürgermeister und Rat bestätigen den Empfang einer Zinsschuld von 35 Gulden für eine Ausleihe des Kurfürsten von der Pfalz (1569).

Eckhardt führt einen zweiten Stempel an. Er hat einen Durchmesser von 38 mm und „ist im Bild sehr ähnlich dem des Stempels Nr. 1“. Auch diese Petschaft ist verloren gegangen. Erhalten haben sich davon Siegel (besser: 42 mm Durchm.) in braunem Wachs an Gültbriefen des hiesigen Hospitals (Stadtarchiv Abt. XV-2) von 1596 bis 1685.

Von kleinen, zeitbedingten, stilistischen Abweichungen abgesehen ist das Stadtsiegel aus dem Jahr 1294 bis heute unverändert geblieben. Selbst der ständige Wechsel der Herrschaftsverhältnisse im Mittelalter haben darauf keinen Einfluß genommen.

Beschreibung und Tinktur (Farbe)

Im blauen Schild eine bezinnte silberne Mauer mit einem geschlossenen roten Stadttor, darüber ein starker, bezinnter silberner Mittelturm mit einem roten Dach, bekrönt von einem goldenen Kreuz über einem goldenen Knauf, zwischen zwei schlanken achteckigen silbernen Seitentürmchen mit hohen roten Zeltdächern und goldenen Knäufen. Zwischen Mittel- und Seitentürmen, mit dem Mittelturm durch einen Steg verbunden, zwei Dreiecksschildchen. Heraldisch rechts das hanauische (drei rote Sparren in Gold) und heraldisch links das fuldische (ein schwarzes Kreuz in Silber) Wappen. Bei dem beschriebenen Wappenbild, so die mündliche Überlieferung, soll es sich um die frühere Burg des Klosters Fulda handeln. An deren Stelle steht heute das Kurpfalzische Schloß.

Zu den von Dr. A. Eckhardt angeführten Stadtsiegeln kommen noch zwei weitere dazu. Die Stempel werden im Stadtarchiv (Abt. 11-1) verwahrt. Der dritte gleicht den beiden ersten und hat einen Durchmesser von 30 mm. Dasselbe gilt für die Umschrift SIGILLUM · CIVIUM · ET · CIVITATIS · IN · OMESTAT. Eine zeitliche Datierung muß noch offen bleiben.

Interessant ist nun eine Nachricht aus dem Jahr 1846. Gartendirektor Metzger aus Heidelberg schreibt in einem Brief vom 27. Dezember an den hiesigen Bürgermeister „Euer Wohlgeborn teile ich auf gefälliges Verlangen den Siegel der Stadt Umstadt mit, welches im Jahr 1834 dahier aufgefunden worden ist. Es macht mir recht viel Vergnügen der Stadt Umstadt ein Eigentum zustellen zu können ...“ In einem Begleitschreiben berichtet der Gartendirektor über die Schleifung der Feldwälle vor dem Mannheimer Tor in Heidelberg (1834). An deren Stelle wurde ein botanischer Garten angelegt. Die Verteidigungsanlagen wurden damals in aller Eile erbaut, verhinderten jedoch nicht die Eroberung Heidelbergs durch Tilly am 6. September 1622. Metzger nimmt an, das Siegel könnte in Umstadt von Tillyschen Truppen entwendet worden und bei dem Sturm auf Heidelberg verloren gegangen sein. Stempelabdrücke des dritten Stadtsiegels sind noch nicht bekannt. Vielleicht ist das eine Erklärung für die Weiterbenutzung des Stempels Nr. 2 im 17. Jahrhundert.

Der letzte Stempel ist das sog. kleine Reisesiegel des Bürgermeisters, Durchmesser 21 mm. Die sehr einfache Gravur zeigt die stilistischen Grundelemente, die drei Türme und die beiden Herrschaftsschildchen. Laut Stadtrechnung 1584/85 „macht der Stadt kleines Insiegel“ Hans Caspar Meyel, Goldschmied zu Worms. Er wird für seine Arbeit mit 6 Gulden, 26 Albus und 4 Pfennigen entlohnt. Umschrift des Stempels: SIGlLLUM UMSTADll MINUS. Zwischen dem ersten und letzten Buchstaben des Textes ist, wie bei Stempel Nr. 3, eine Blütenrosette eingraviert.

Wie alt ist nun eigentlich das Siegel der Stadt Umstadt? Es soll versucht werden, darauf eine Antwort zu geben. Wie erwähnt, erscheinen im Wappenbild zwei frühe, oft gebrauchte heraldische Merkmale. Es sind die architektonischen Elemente und die Wappen der Stadtherren. Wie bekannt, war die Abtei Fulda (seit 766) der erste Besitzer von Stadt und Mark Umstadt. Über Vogteianteile der Herrn von Münzenberg kam, nach deren Aussterben 1255, auf dem Erbgang Reinhard von Hanau in diesen Besitz. Aber erst 1287 belehnt Fulda ihn mit der Hälfte der Stadt. Auf die beiden Schildchen im ältesten Siegel bezogen heißt dies: der Stempel in dieser Form kann nur zwischen 1287 und 1294, dem ersten Abdruck, entstanden sein! Der Einfluß des Haunauers war offenbar so groß, daß er nun gleichberechtigt neben Fulda sein Miteigentum an der „civitas omestat“ nach außen dokumentierte. Ergo fehlten dem Siegel vor 1287 die beiden Schilde am Mittelturm.

Bei sehr genauem Studium des Stempelabdrucks von 1569 (Stadtarchiv) ergeben sich Fragen, die noch auf eine Klärung warten. An dem fuldischen Schild fehlt der Steg, an dem hanauischen ist er nicht mit dem Mittelturm exakt verbunden, es erweckt den Anschein, daß die beiden Schildchen zwischen die Türme „hineingequetscht“ wurden und damit den Seitentürmen die Innenbegrenzung wegnehmen. Sind dies Zeichen einer Nachgravur?

Sichere Anhaltspunkte für ein hohes Alter des Umstädter Stadtwappens ergeben sich aus kleinen Baustilmerkmalen. Typisch bei Stempel Nr. 1 ist am Mittelturm unter den beiden rundbogig geschlossenen Fenstern eine vierblättrige Kleeblattöffnung. Sie wiederholt sich, dreiblättrig ausgebildet, links und rechts des ebenfalls rundbogig geschlossenen Stadttores.

Die Grafen von Henneberg treten im 12. Jahrhundert als fuldische Klostervögte auf. Ingrid, Tochter Boppos v. Henneberg, war mit dem Staufer Pfalzgraf Konrad verheiratet. Dieser wiederum war der Halbbruder von Kaiser Friedrich I. Barbarossa (geb. 1122, † 1190).

Durch diese verwandtschaftlichen Beziehungen kann es durchaus möglich sein, daß infolge Fürsprache und Vermittlung Konrads Umstadt sein Stadtprivileg erhielt. Deutlicher Hinweis im Wappen ist der Reichsapfel über dem Mittelturm. So kann festgestellt werden: stilistische Merkmale, kaiserliches Insigne und die Schreibweise „omestat“ für Umstadt weisen auf eine Entstehung des Stadtwappens in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts.
Damit haben wir zugleich einen Anhaltspunkt, die Stadterhebung um dieselbe Zeit anzusetzen.