Gespalten von Silber und Rot mit einem nesselblattförmigen, gespickelten Bord in verwechselten Farben. Vorn eine schwarze Windmühle, hinten ein stehender, silbern gerüsteter Ritter, der in der Rechten eine silberne Lanze hält und die Linke auf das Schwert legt.
Unser Barmstedter Wappen entstammt den Jahren 1912/13. Barmsted hat sich also sehr spät um die Schaffung eines Wahrzeichens bemüht. Im November 1912 wurden zuerst dahingehende Schritte unternommen. Man suchte zunächst sachkundige Beratung bei dem Professor Ad. M. Hildebrandt, Berlin. Er war zu jener Zeit Bibliothekar des um die Pflege des Wappenwesens hochverdienten Vereins für Geschlechter-, Wappen- und Siegelkunde „Herold" daselbst und derzeit die anerkannte Autorität auf diesem Gebiete.
Bei der Neuschaffung von Wappen ist man stets bestrebt, ein „redendes“ Wappen zu erstellen, d. h. Wappenbilder zu finden, die zum Wappenträger historisch in Beziehung stehen, sei es, daß sie die Herkunft seines Namens deuten, sei es, daß sie wichtige Marksteine der geschichtlichen Vergangenheit versinnbildlichen. Gern verwendet man dabei Elemente alter Kirchen- oder Amtssiegel. So lautete denn auch bei uns des Professors erste Frage: Welches sind die den Ort betrefenden ältesten geschichtlichen Überlieferungen?
Beim Eintritt Barmstedts in die beurkundete Geschichte sind es vor allem zwei historische -Tatsachen, die besondere Beachtung fanden: 1. Barmstedt war eines der ältesten und größten Kirchspiele (erstmalig erwähnt 1140) und 2. Schutzherren der Kirche waren die Ritter von Barmstede (erstmalig genannt um 1149). Die zweite Frage hieß nun: Welcher Siegel bedienten sie sich? - Mit nur geringen Ausnhamen haben sämtliche alten Kirchen ihr eigenes Siegel geführt. Auch unsere ehrbare St. Margarethen-Kirche dürfte darin keine Ausnahme gemacht haben; leider konnte nur bis heute kein Beleg dafür beschafft werden. So mußte also hinsichtlich des Kirchensiegels Fehlanzeige erfolgen. Ein gleiches geschah derzeit noch hinsichtlich der Frage nach dem Siegel der Ritter von Barmstede. Wohl war bekannt, daß die Gründungsurkunde des Klosters Uetersen aus dem Jahre 1235 das Siegel des Ritters Heinrich II. trug, doch war dasselbe vom „Zahn der Zeit" derart unkenntlich gemacht, daß sich vor 1912 niemand getraute, mit Sicherheit ein Motiv herauszulesen. Nach dieser Seite hin fand man also keine Grundlage für ein Barmstedter Wappen. Der erste Vorschlag Professor Hildebrandts, das alte Kirchensiegel mit dem der Ritter von Barmstede zu vereinigen, mußte demnach als unerfüllbar zu den Akten gelegt werden.
Und wie stand es nun um ein ehemaliges Amtssiegel? - Man sollte denken, daß unser ehemaliges „Kerkdorf" sich nach der Verleihung der Fleckensprivilegien (24. Dez.1736), als infolge Aufblühens von Handwerk und Gewerbe häufiger Rechtsgeschäfte getätigt werden mußten, ein eigenes Fleckensiegel mit ortsbezogenen Wahrzeichen beschafft hätte. Das ist auch in der Tat geschehen, nur war es 1912 anscheinend bereits in Vergessenheit geraten. Bis heute ist auch leider weder das Petschaft noch ein Belelgexemplar in Gestalt einer besiegelten Urkunde aufgefunden worden. Kunde davon gibt uns allein eine Denkschrift des ehemaligen Kirchspielvogts Hasse vom 21. Januar 1801, in der es u. a. folgenderrnaßen heißt: „Das einzige Vorzügliche dieses Fleckens ist die schöne Kirche und der hübsch gebaute Thurm, dahero denn auch des Fleckens Merkzeichen oder Wappen in 4 Dreyecken, in derem öbersten der Thurm ist und in den anderen die Buchstaben b, a, st, welches Barmstedt heißen soll, bestehet."
Besonderen Wert erlangt diese Notiz erst durch die beigefügte Handskizze des Kirchspielvogts; ichhabe sie - ein bißchen auffrisiert - in Linol geschnitten. Ob und wie weit das von Hasse beschriebenen „Wappen“ je zur Anwendung gekommen ist, war leider nicht mehr festzustellen. In dem Schriftwechsel von 1912 ist davon auffallenderweise keine Rede mehr.
Auf der Suche nach weiteren alten ÜberIieferungen stieß man auf die, Dankwerth`sche Chronik aus dem Jahre 1652 (Newe Landesbeschreibung der 2 Herzogthümer Schleswig und Holstein). Darin heißt es bei der Aufzählung der dem Herzog gehörenden Ortschaften unter Ziffer 2: Barmstede Hoff, Mühl und Schäfferey. Dieser Hoff oder das Gebäw, so annitzo stehet, ist Anno 1270 von Graf Otto zu Holstein und Schawenburg, nachdem er neben seinem Bruder Graf Adolffen diese Graffschaft Holstein Pinneberg nach tödlichem Abgang Graf Otten des Alten, ererbet hatte, erbawt worden.“
Auf der Basis dieser Dankwerth`schen Notiz verliefen die weiteren Verhandlungen zwischen Professor Hildebrandt und Barmstedt. Sie wurden diesseits von dem derzeitigen Stadtsekretär Herrn Max Hamann geführt. Scheinbara war von her angeregt worden, das Schauenburger „Neselblatt“ asl Wappenbild zu verwenden. Daraufhin verwies Professor Hildebrandt auf einen Ministerialerlaß, demzufolge das „Nesselblatt“ für die Zukunft als Wappenbild für schleswig-holsteinische Orte verboten war. Es war in unserer meerumschlungenen Heimat beinahe schon obligatorisch geworden, das Schauenbuger Emblem oder Sinnbild im Wappen zu führen, wie es z.B. bereit Uetersen, Wedel, Bramstedt, Oldesloe, Segeberg, Oldenburg, Neustadt, Burg auf Fehmarn, Heiligenhafen, Lütjenburg, Plön, Preetz, Kiel, Neumünster, Itzehoe, Wilster, und Friedrichstadt an der Eider zugebilligt worden war. Das „Nesselblat“ als Schildrand zu nehmen, blieb weiterhin unbenommen.
Unser Sachbearbeiter, Herr Professor Hildebrandt in Berlin, schlug als eigentliches Wappenbild entweder eine Mühle oder ein Schaf vor, allenfals auch einen Ritter. Sein Entwuf mit der Mühle zeigt auf einem gespalenen Schild das sich über beide Felder erstreckende Schildbild. - In der gleichenArt war auch der zweite Entwurf mit dem Ritter gehalten.
Im Hinblick auf die in Aussicht genommenen Wappenfarben, auf die wir in einem besonderen Abschnitt weiter unten einzugehen gedenken, war bereits hier ein gespaltener Schild vorgesehen. Die Schildfläche war also senkrecht in zwei Hälften, eine linke und eine rechte, aufgeteilt. Um Mißverständnisse von vornherein auszuschalten, wollen wir uns noch einmal daran erinnern, daß in der Heraldik die Bezeichnungen „Links“ und „Rechts“ am Wappenschild nicht vom Beschauer, sondern vom Schildträger aus gelten.
Die nun folgenden Ausführungen sind auch in diesem Sinne geschrieben und zu verstehen.
Aus ästhetischen Gründen dürfte beschlossen worden sein, doch für jede Schildhälfte ein eigenes Wappenbild zu nehmen. Ein darafuhin vorgelegter Entwurf Professor Hildebrandts sah für das rechte Feld einen Ritter, für das linke Feld drei übereinander angeordnete Schafe vor. - Der Vollständigkeit halber sei noch ein weiterer Vorschlag erwähnt, der einen gevierteilten Schild zeigte, im oberen Viertel rechts einen Ritter und im unteren Viertel links eine Windmühle. Diesseits entschied man sich nun endgültig für den gespaltenen Schild, in der rechten Hälfte die Mühle, in der linken der Ritter.
Weit wichtiger als die Frage nach den Sinnbildern ist in der Wappenkunst die Frage der Farbenverteilung. Hier gilt es ganz besonders, gewisse Regeln und Gesetze zu beachten. Natürliche Farben zum Beispiel werden von der Heraldik nur in seltenen Ausnahmefällen, nämlich nur bei der Darstellung von Mensch und Tier zugelassen; die natürlichen Farben anderer Gegenstände sollen im Wappenbild tunlichst in die nächstliegenden heraldischen Farben umgewandelt werden. Welches sind nun die gebräuchlichsten Wappenfarben?
In der Heroldskunst verwendet man zur farbigen Wiedergabe außer den beiden Metallen Gold und Silber hauptsächlich nur noch die eigentlichen Farben Rot, Blau, Grün und Schwarz. Gold darf nötigenfalls durch die Farbe Gelb, Silber durch die Ersatzfarbe Weiß ersetzt werden. Ais wichtige Hauptregel gilt, daß „Metall" und „Farbe" stets abwechselnd zu verwenden sind. Erst dadurch werden Klarheit und weite Sichtbarkeit gewährleistet. Es wäre also ein grober Verstoß gegen dieGrundregel der Wappenkunst,. wollten wir einen roten Adler auf blauem Grunde, einen goldenen Löwen in silbernem Felde, eine rote Rose auf grünem Grunde oder eine schwarze Mühle in rotem Felde führen. Die günstige Beurteilung eines Wappens durh die Jury hängt in erster Linie immer von der Befolgung der Farbregeln ab.
Prüfen wir nun von dieser Seite unser Barmstedter Stadtwappen, so müssen wir feststellen, daß die Farbenverteilung ideal gelöst ist. Abgesehen von der schwarzen Zeichnung enthält es die Farben Silber und Rot. Sie sind bewußt dem Wappen der Reichsgrafen zu Rantzau, die 77 Jahre das Schicksal unserer engeren Heimat gestalteten, entnommen, decken sich aber gleichzeitig mit der Spätform des Schauenburger Wappens: dem silbernen Nesselblatt auf rotem Grunde. Bei der Farbgebung im Mittelschild unseres Wappens gab es eigentlich gar keine Wahl; die schwarze Mühle kann nur auf silbernem Grunde, der silberne Ritter nur auf rotem Felde stehen. Die Schwierigkeit lag im Schildrand. Um jener Hauptregel gerecht zu werden, mußte auchder Schildrand (das „Nesselblatt“) gespalten weren; auf der linken Seite konnte das Nesselblatt silbern auf rotem Grunde, auf der rechten Seite mußte es rot auf silbernem Grunde erscheinen. Auf diese Weise ward die Farbgebung unanfechtbar: von welcher Seite man auch kommt, stets wechseln Metall und Farbe, wie es die Vorschrift verlangt!
Betrachten wir nun noch einmal im Zusammenhang kurz das Wahrzeichen unserer Stadt: Ein breiter, wuchtiger Schild, der unten platt abgerundet ist und nur in der Mitte in eine dornartige Spitze ausläuft, ist das Grundelement des Barmstedter Wappens. Der breite Schildrand grenzt den Mittelschild (d.i. die eigentliche Schildfläche) ab. Er ist in der Mitte gespalten. Auf der rechten Hälfte trägt er eine schwarze Windmühle im silbernen Feld, auf der linken Hälfte auf rotem Grunde einen in Silber gepanzerten Ritter mit aufgeschlagenem Visier, die Linke am Schwertgriff und in der Rechten eine „bei Fuß“ gestellte Lanze haltend. Eingefaßt wird der Mittelschild von dem gleichfalls gespaltenen stilisierten Schauenburger „Nesselblatt“ als Zierde des Schildrandes: auf der linken Seite silbern auf rotem Grunde, auf der rechten Seite rot auf silbernem Grunde. Die Krönung des Ganzen bildet jene allgemein übliche Mauerkrone mit den drei Wehrtürmen und dem geschlossenen Tor.
Der Ritter in seiner Rüstung soll uns an das ehemalige angesehene und einflußreiche Geschlecht derer von Barmstede erinnern; mit ihm trat Barmstedt erst in die beurkundete Geschichte ein (1140/48). Jene Ritter waren Schutzherren unserer Kirche und oberste Verwaltungsbeamte der Schauenburger Grafen. Durch sie wurde damals Barmstedt politischer Mittelpunkt und Sitz der Verwaltung für ein ungewöhnlich umfangreiches Gebiet ringsum. Ihnen unterstand seinerzeit fast das gesamte Gebiet zwischen der Pinn- und Krückau bis zum Elbufer und ein beträchtliches nördlich davon, ein Territorium, das heute der Kirchspiele Uetersen, Seester, Elmshorn, Hörnerkirchen und Barmstedt umfaßt. Das Wappen der Ritter von Barmstedt ist erst neuerdings durch die Forschungen des Uetersener Lokalhistorikers Bubbe der Vergessenheit entrissen worden. Es zeigt auf frühgotischem Schild drei rechtsgerichtete Wolfsköpfe mit aufgerissenem Rachen. Ob dieses Schildbild die Wappenträger als erfolgreiche Wolfsjäger ausweisen oder etwa ihre Charaktere versinnbildlichen sollte, läßt sich natürlich heute nicht mehr entscheiden. Leider ist, wie bereits weiter oben angedeutet wurde, dies beziehungsreiche Familienwappen durch Unkenntnis bei der Entstehung unseres Stadtwappens unberücksichtigt geblieben. Bei der im 12. Jahrhundert vollzogenen Besiedlung der heimischen Elbmarschen sicherten sich die Barmstedter dort zahlreiche Besitzungen. Demzufolge gaben sie anscheinend um 1200 den hiesigen Herrensitz auf, um sich nach Uetersen, d.h. in die unmittelbare Nähe jener Güter zu begeben. Ein Ritter des Geschlechts, Heinrich II, gründete dann etwa um 1235 das Uetersener Zistersienserkloster. Nach einem äußerst wechselvollen Schicksal starb nach durchlebtne Höhen und Tiefen die Hauptlinie der Barmstedes um 1300 aus; ihr Ende war fast so rätselhaft wie ihr Erscheinen.
Die Mühle ist Sinnbild für die altehrwürdige „Rantzauer“ Wassermühle, deren Alter zum mindestens in die Zeit der Ritter von Barmstede zurückreichen dürfte. Daraufhin deutet die Notiz aus der „Dankwerth’schen Chronik“ um 1270. Mit dem Maßstab jener Zeit gemessen war sie für das Großkirchspiel Barmstedt der wirtschaftliche Mittelpunkt.
Als Zwangsmühle hat sie bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts ihre wirtschaftliche Vormachtstellung erfolgreich behauptet.
Ritter und Mühle versinnbildlichen also Barmstedts Stellung beim Eintritt in die beurkundete Geschichte, nachdem kurz vorher die Schauenburger Grafen ihre Herrschaft in Holstein angetreten hatten (1111), angedeutet durch das Schauenburger Wahrzeichen (das Nesselblatt) und durch die Wappenfarben Silber und Rot. Gleichzeitig erinnern diese an jene Zeit, die für Barmstedt als die denkwürdigste und - in gewisser Hinsicht - die glanzvollste gelten kann: die Zeit der freien Reichsgrafschaft Rantzau (1650 bis 1726 ), da Barmstedt für kurze Zeit die Rolle einer Residenz- oder Hauptstadt spielte.
Wer also unser Stadtwappen betrachtet, schaut in einen Spiegel der Vergangenheit: wir besitzen in ihm im wahrsten Sinne des Wortes ein „redendes“ Wappen.